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FORUM 1–2020

Mit Sicherheit Verliebt.

Ein Präventionsprojekt von Studierenden für Schüler*innen

Im Rahmen des Projekts »Mit Sicherheit Verliebt« setzen sich Studierende aus ganz Deutschland für bedarfsgerechte Sexualaufklärung ein. Sie sind dabei nicht nur fachlich kompetent, sondern begegnen den Jugendlichen auf Augenhöhe als Angehörige derselben Generation mit einem gemeinsamen Erleben von Sexualität in der Gesellschaft.
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Im Rahmen des Projekts »Mit Sicherheit Verliebt« setzen sich Studierende aus ganz Deutschland für bedarfsgerechte Sexualaufklärung ein. Sie sind dabei nicht nur fachlich kompetent, sondern begegnen den Jugendlichen auf Augenhöhe als Angehörige derselben Generation mit einem gemeinsamen Erleben von Sexualität in der Gesellschaft.

Wer wir sind: Das Projekt

Das Projekt »Mit Sicherheit Verliebt« wird getragen und geleitet von ehrenamtlich arbeitenden, geschulten Studierenden. An derzeit 38 Standorten engagieren sich aktuell insgesamt 850 Mitglieder für ganzheitliche Sexualaufklärung. Diese gehören mehrheitlich medizinischen Fakultäten an. Die Mitarbeit steht jedoch ebenso Studierenden aller anderen Fachrichtungen offen, zu denen sich etwa ein Fünftel aller aktiven Mitglieder zählen lassen.

Die Kernarbeit des Projekts stellen Besuche an Schulen dar, während denen – basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen – altersgerecht aufgeklärt und den jungen Menschen ein geschützter Rahmen für einen offenen Dialog auf Augenhöhe (Peer Education) geboten wird. Der inhaltliche Schwerpunkt des Projekts »Mit Sicherheit Verliebt« ist die Auseinandersetzung mit Sexualität und ihrer medizinischen und gesellschaftlichen Bedeutung. Auf diesem Wege erreicht das Projekt jährlich etwa 18 000 Schüler*innen.

Neben den Schulbesuchen erarbeiten die Akteur*innen des Projekts regelmäßig Kampagnen zu Aktionstagen wie dem Welt-AIDS-Tag und setzen sich auf lokaler und nationaler Ebene in Form von Veranstaltungen und Kooperationen für ein verstärktes Bewusstsein zu sexueller Gesundheit ein.

»Mit Sicherheit Verliebt« ist ein Projekt der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschlandi e. V. (bvmd) und untersteht der Arbeitsgruppe Sexualität und Prävention.


Der Schulbesuch: Ein Einblick

Kein Schulbesuch ist wie der andere. Jeder Schulbesuch von »Mit Sicherheit Verliebt« wird inhaltlich und methodisch auf die individuellen Bedürfnisse der Klasse und Altersgruppe zugeschnitten. Auch die einzelnen lokalen Gruppen können ihre Schulbesuche im Rahmen unserer Leitlinie eigenständig ausgestalten.

Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Klassen von einer Gruppe von etwa vier Mitgliedern des Projekts besucht werden, welche sie durch einen gesamten Vormittag leiten. Lehrkräfte sind üblicherweise stets erreichbar, aber nicht direkt zugegen, um eine möglichst vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und die Privatsphäre der Schüler*innen zu schützen.

Spielerisch werden die Schüler*innen an medizinisch relevante Themen wie sexuell übertragbare Infektionen und ihre Prävention herangeführt. Dabei steht das Projekt jedoch für einen aufklärerischen Ansatz, der darüber hinausgeht und sich dem Thema Sexualität ganzheitlich und mit Blick auf ihr positives Potenzial annähert.

Auf interaktive Weise lernen die Schüler*innen beispielsweise unterschiedliche sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten kennen. Das Projekt »Mit Sicherheit Verliebt« und seine Mitglieder positionieren sich offen gegen Stigmatisierung und Diskriminierung. Den Schüler*innen stehen somit junge Menschen als Gesprächspart- ner zur Verfügung, die sich klar für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt aussprechen.

In Selbstreflexionen können die Schüler*innen auch  ihre persönlichen Grenzen erarbeiten. Wo finde ich es okay, berührt zu werden, wann und von wem? Sie lernen, wie man die individuellen Grenzen anderer wertschätzend erfragt und sich mit seinen eigenen Grenzen behauptet.

Ein weiteres Thema, das mit den Schüler*innen erarbeitet werden kann, ist Sexualität im Internet. Technologische Entwicklungen haben unsere Mitglieder oft in einem ähnlichen Tempo in der Entwicklung begleitet wie die Schüler*innen. Was ist eigentlich Sexting, und wie gehe ich damit um, wenn Nacktbilder von mir in Umlauf geraten?  Wie handle ich richtig, wenn ich Bilder erhalte, die nicht für mich bestimmt waren? Methoden, die beispielsweise auf- zeigen, wie viele Akteure an der Entwicklung pornografischen Materials beteiligt sind, ermöglichen den Schüler*innen, dieses in ein Verhältnis zur Realität zu setzen.

Solche Themen und viele mehr beschäftigen die Schüler*innen und unsere Akteure von »Mit Sicherheit Verliebt« bei einem Schulbesuch. Die zugrunde liegende Überzeugung ist dabei stets, dass die jungen Menschen Expert*innen für ihren eigenen Körper und ihr sexuelles und emotionales Empfinden sind.

Für die konkrete Umsetzung stehen den Mitgliedern und lokalen Gruppen neben der Basisausbildung auch Handbücher und Datenbänke mit theoretischem Wissen und Methoden zur Verfügung, die kontinuierlich über- arbeitet werden.


Vertrauen: Im Gespräch

»Sag mal, masturbieren Mädchen eigentlich auch?« – unsere Mitglieder sind bemüht, bei jedem Schulbesuch den Rahmen für einen offenen und diskriminierungsfreien Diskurs über Sexualität zu schaffen. Sowohl der Schwerpunkt Sexualität als auch die Rolle als Peer stellen jedoch besondere Anforderungen an die Gesprächskultur. Zwischen Anonymität und Vertrauen sowie zwischen Erfahrungsnähe als Peer und Professionalität muss eine Balance erreicht werden.

Wichtig ist, dass die Schüler*innen sich in ihren Belangen ernst genommen fühlen. Sie müssen  Fragen,  Sorgen und Wünsche frei äußern können. Dabei stellen wir den Anspruch, dass selbst eine offen im Klassenverband geäußerte Aussage nicht über diesen Verband hinauszutragen ist. Den Schüler*innen wird aber sowohl die Möglichkeit geboten, anonym Fragen zu stellen, als auch, Gespräche im kleineren Rahmen führen zu können.

Im Peer-to-Peer-Verhältnis ist es auch in Ordnung, persönliche Fragen zu stellen. Es ist allerdings genauso in Ordnung, wenn vereinzelt Fragen unbeantwortet bleiben. Auf beiden Seiten kann selbstbestimmt entschieden werden, was über einen selbst preisgegeben werden soll. Explizit wird den Schüler*innen angeboten, während des Schulbesuchs Wahrheiten, etwa über die eigene sexuelle Orientierung, verschweigen zu können, wenn sie diese nicht offenlegen möchten. Auch die Teilnahme an einem Schulbesuch von
»Mit Sicherheit Verliebt« ist immer willkommen, aber nie verpflichtend.


Ein universelles Recht: Besondere Angebote

Der Zugang zu umfassender Sexualaufklärung  leitet  sich aus dem universellen Menschenrecht zur sexuellen Selbstbestimmung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ab. Um diesem Anspruch in allen Lebenswelten entgegenzukommen, entwickelten erfahrene Mitglieder des Projekts in den letzten Jahren Konzepte für Situationen, die besondere Anforderungen an die Sexualaufklärung stellen.

So wurde eine angemessene Umsetzung von Sexualaufklärung nach dem Leitbild von »Mit Sicherheit Verliebt« in sonderpädagogischen Schulen erarbeitet: Wie erkläre ich die Verwendung eines Kondoms in Leichter Sprache? Wie viel Anatomie ist verständnisfördernd, ab wann stifte ich Verwirrung? Auch komplexere Themen wie mögliche Eingriffe in die Reproduktionsfreiheit von Menschen mit geistiger Behinderung oder ihre Selbstbehauptung gegen sexuellen Missbrauch spielten in diesem Prozess eine Rolle.
 Ein weiteres Angebot, das an mehreren Standorten geboten wird, sind Schulbesuche in Sprachklassen. Wenn Deutsch eine Fremdsprache ist, die aktuell erlernt wird, erlangen Kommunikationsformen eine besondere Bedeutung. Kulturelle Hintergründe, vor denen Sexualität eine andere Rolle einnimmt als in der westeuropäischen Kultur, müssen sensibel reflektiert und beachtet werden.


Expertise als Peer: Die Ausbildung

Wer unter dem Markennamen »Mit Sicherheit Verliebt« sexuelle Aufklärung betreiben möchte, muss eine Basisausbildung absolvieren sowie bei zwei Schulbesuchen im Beisein erfahrener Mitglieder hospitieren. Schwerpunkt der Basisausbildung ist die Vermittlung medizinischen Grundwissens in den Bereichen sexuell übertragbarer Infektionen, Verhütungsmittel und Anatomie. Zudem werden pädagogische und rechtliche Aspekte, solche sexualfreundlicher Aufklärung und Themen wie Gender und sexuelle Orientierungen behandelt.

Das Ausbildungskonzept ist verbindlich, um die fachlich und pädagogisch qualifizierte Durchführung von Schul- besuchen sicherzustellen. Regelmäßige Fortbildungen werden auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene organisiert und angeboten.


Safely in Love: Internationale Vernetzung

Die Ursprünge des Projekts »Mit Sicherheit Verliebt« liegen in Skandinavien: In Schweden wurde bereits in den 1990er- Jahren ein Präventionsprojekt von Studierenden für Schüler*innen gegründet, das Aufklärung auf Augenhöhe anstrebte.

Nach diesem Vorbild wurde 2001 das deutsche Pendant unter der Schirmherrschaft des Bundesgesundheitsministeriums mit dem vorläufigen Titel »Aktion Sprechstunde« gegründet. Das Projekt verfolgte damit von Beginn an gemeinsame Ziele mit studentischen Projekten anderer Länder, welche sich an ähnlichen Leitbildern orientieren.

Das Projekt ist regional und überregional stark vernetzt. Besonders enge Kooperationen bestehen im deutschsprachigen Raum mit den Partnerprojekten »achtung°liebe« aus Österreich und »Achtung Liebe« aus der Schweiz. Zudem wird es als sogenanntes Comprehensive Sexuality Education Project von der International Federation of Medical Students‘ Associations (IFMSA) unterstützt. Die internationalen Kooperationen bieten regelmäßige Fortbildungs- und Austauschmöglichkeiten wie die Northern European Conference on Sexuality Education Projects (NECSE). Auf dieser Konferenz versammeln sich jedes Jahr Delegationen aus derzeit vierzehn nordeuropäischen Ländern zur Erarbeitung neuer praktischer Methoden in der Sexualaufklärung.


Unsere Rolle in Deutschland: Ein Ergänzungsangebot

Peer Education verstehen wir als eine Methode von vielen, die insgesamt die ganzheitliche Sexualaufklärung heran- wachsender Menschen in unserer Gesellschaft sicherstellen sollen. So stellt das Projekt »Mit Sicherheit Verliebt« ein Ergänzungsangebot zum curricularen Sexualkundeunterricht an weiterführenden Schulen dar. Schlüsselpositionen nehmen dabei auch Eltern, Ärzt*innen, pädagogische Professionelle und Beratungsstellen ein. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland spricht sich in ihrer Grundsatzentscheidung zur sexuellen Aufklärung junger Menschen in Deutschland für eine verstärkte Zusammenarbeit1  mit diesen Instanzen aus. Mit vielen dieser Akteure arbeiten wir an einer Sexualaufklärung, die jungen Menschen hilft, Lebenskompetenzen zu entwickeln, die ihnen erlauben, Sexualität als einen wesentlichen Teil von Gesundheit und Wohlbefinden erleben zu können.

1 2018-05_Grundsatzentscheidung_Sexualaufklärung_junger_Menschen _in_Deutschland-3.pdf

 

Alle Angaben zu Links beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.

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Veröffentlichungsdatum

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Maike Frieben
ist Medizinstudentin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Seit Oktober 2019 leitet sie gemeinsam mit Cecilie Helling aus Freiburg und Nicolas Erdal aus Hannover das Sexualaufklärungsprojekt »Mit Sicherheit
Verliebt« und die Arbeitsgruppe Sexualität und Prävention der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.
Kontakt: nora(at)bvmd.de
www.sicher-verliebt.de

 

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Herausgebende Institution

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